HK 16 in 3D

Das ehemalige Haus Nr. 16 in der Dr.-Hans-Kapfinger-Straße

Dokumentation in Form eines 3D-Digitalisats zum Abriss des historischen Gebäudes in Passaus Neuer Mitte

Von Nina Kunze, Sebastian Gassner.

Das im Winter 2020/2021 abgerissene Haus Nr. 16 in der Dr.-Hans-Kapfinger-Straße in Passau stellt ein baugeschichtlich, wissenschafts- und industriegeschichtlich sowie auf den Bereich der Kulturgutdigitalisierung und -dokumentation bezogen interessantes Objekt dar.

Am 15. Mai 1861 wurde das Grundstück des Hauses Nr. 16 von Christoph Bergeat erworben. Der Kaufvertrag von 1861 liegt in einer Abschrift im Staatsarchiv Landshut 1 vor, da der Verkäufer in den Jahren danach (bis 1863) einen Rechtsstreit gegen Bergeat anstrebte, weil dieser zu eng an sein Grundstück angebaut hatte. Die Transkription des Kaufvertrages ist hier einzusehen.

Zum ersten Mal eindeutig erscheint das Haus Nr. 16 auf den Situationsplänen von 1887 und 1888 (Stadtarchiv Passau, Bauakt „Dr. Hans-Kapfinger-Str. 20“), die vermutlich für den Renaissance-Ausbau der Villa von Eugen Bergeat in Auftrag gegeben wurden.

Das mittlerweile abgebrochene Haus Nr. 16 präsentierte sich als einfacher, zweigeschossiger Satteldachbau von vier zu sechs Achsen schlichter Rechteckfenster. Die Putzfassaden in spätklassizistischem Duktus mit historistischen Detailformen entsprachen dem gängigen Architekturspektrum der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Kunsthistorisch lässt sich das Haus Nr. 16 durch die wenigen am Baukörper verwandten Einzelformen, - Treppenfriese, Zahnfriesbänder, geteilte Mezzaninfenster und Dreieckstürze - die in Passau etliche gründerzeitliche Vergleiche find, vornehmlich in Bauten der 1860er Jahre einordnen. Insgesamt besaß das mit sparsamen Mitteln ansprechend gestaltete Gebäude - trotz späterer Eingriffe - eine architektonische Qualität, die einen Eintrag in die Denkmalliste und seinen Erhalt hätten begründen können, und stellte eines der wenigen Zeugnisse historischer Industriebaukunst in Passau dar.

Um das historische Haus Nr. 16 über den Abriss hinaus zu bewahren wurde im Passauer Labor für Kulturgutdigitalisierung am Lehrstuhl Digital Humanities schließlich das dreidimensionale Digitalisat erstellt.

Durch Einsatz der lehrstuhleigenen Drohne (DJI Mavic Air 2) und Kamera (Nikon D3300) konnten insgesamt 1300 Aufnahmen des Gebäudes gemacht werden. Für die Generierung eines dreidimensionalen Digitalisats sind Bilder mit einer Überlappung von bis zu 90 Prozent zu verwenden, da das photogrammetrische Verfahren 2 das Ausrichten der einzelnen Bilder zueinander über eine Ähnlichkeitssuche korrespondierender Bildpunkte - etwa Fensterkanten und andere markante Punkte – vornimmt (structure from motion). Gerade diese Auswahl markanter Bereiche macht es dem Algorithmus oft schwer homogene Flächen zu berechnen, wodurch das intakte Ergebnis des Daches des Hauses Nr. 16 erstaunt.

Naturgemäß zeigen sich in diesem großen, dreidimensionalen Digitalisat aber auch die Grenzen des Drohnen-Einsatzes: So war das Haus Nr. 16 an allen vier Seiten stark bewachsen, bzw. eng umbaut. Die DJI Mavic Air 2 hat eine Hindernisvermeidung nach vorne, hinten und unten, sodass etwa Bäume oder zu nahestehende Wände aktiv vermieden werden. Diese Abstände sind großzügig bemessen, was Kollisionen, aber auch einige gute Aufnahmen verhindert hat. So konnten einige Bereiche des Hauses nicht photographisch erfasst werden, was wiederum zu Löchern im dreidimensionalen Digitalisat geführt hat. Konsequenterweise sind zwei Digitalisate erstellt worden, ein Umgebungsmodell und ein bereinigtes Modell. Durch die Andeutung des umstehenden Bewuchses und Nachbarhauses werden die Löcher erklärlich und das Haus kann von Betrachtenden besser kontextualisiert werden. Das bereinigte Modell dagegen lässt es zu alle vier Seiten frei einsehen zu können.

Der (dreidimensionale) Digitalisierungsprozess des Hauses Nr. 16 kann nicht nur als zeitgemäße Dokumentationsform des verlorenen Baudenkmals gelten, sondern auch lehrreich sein für ein beispielhaftes Vorgehen im kunsthistorischen Forschungsprozess, ebenso wie im denkmalpflegerischen Kontext.

3D-Digitalisate eröffnen in ihrer dokumentarischen Funktion viele zukunftsträchtige Möglichkeiten. Die Veröffentlichung unseres Hauses Nr. 16 als 3D-Digitalisat kann insofern von weiterführender wissenschaftlicher Bedeutung sein, als dass es dazu anregen soll, die Forschung am Objekt zu beflügeln. Anhand dieses digitalen Abbildes können Rekonstruktionsversuche durchgeführt werden, die das Gebäude in einen früheren Bauzustand zurückversetzen könnten, beispielsweise in die Zeit, als das Haus Nr. 16 den Bergeats noch als Glaswerkstatt diente. Darüber hinaus können 3D-Digitalisate, ebenso wie digitale Photographien für weitere (kunst-)historische Analysen verwendet werden, beispielsweise für digitale Bildannotationen, inhaltliche Verlinkungen, teilautomatisierte Merkmalserkennung über Formkorrespondenzen oder Klassifizierung von Bildern und Objekten durch sog. Maschinelles Lernen trainierte Programme.

Jedenfalls erfährt auf diesem Wege das ehemalige Haus Nr. 16 in der Hans-Kapfinger-Straße in Passau die ihm gebührende Würdigung und kann, statt in Vergessenheit zu geraten, in die (digitale) Geschichte eingehen.

3D Modelle des HK 16 #

HK 16 mit Umgebung, niedrige Auflösung (13 MB)

HK 16 mit Umgebung, hohe Auflösung (206 MB)

HK 16 ohne Umgebung, niedrige Auflösung (77 MB)

HK 16 ohne Umgebung, hohe Auflösung (165 MB)

Bildgalerie HK 16 #

Ausführlicher Artikel im PDF Format #

Als PDF herunterladen.

Credits: Webpräsenz von Sebastian Gassner, Lehrstuhl Digital Humanities, Universität Passau. 3D-Modell entstanden im Labor für Kulturgutdigitalisierung, Lehrstuhl Digital Humanities, Universität Passau von Nina Kunze und Sebastian Gassner. Bilder von Nina Kunze, Sebastian Gassner, Markus Gerstmeier und Heidi Riederer, Lehrstuhl Digital Humanities, Universität Passau. Text von Nina Kunze, Markus Gerstmeier, Matthias Koopmann, Sebastian Gassner; ausführliche Version publiziert im Passauer Jahrbuch 2021.


  1. Staatsarchiv Landshut, Landgericht ä.O. Passau Signatur 1774: Akt des Kgl. Landgerichts Passau II 1862/63 – Pittinger Albert, Kaufmann in Sct. Nicola gegen Bergeat Christoph, Grundbesitzer in Sct. Nicola wegen Bauführung. Abschrift des Kaufvertrags vom 15.05.1861. ↩︎

  2. Photogrammetrie ist eine, im Deutschen auch Bildmessung genannte Methode zur dreidimensionalen geometrischen Rekonstruktion eines über Bilder aufgenommenen Objektes. Das für diese Arbeit verwendete komplexe Verfahren der Software Agisoft Metashape pro ist eine Kombination aus mehreren digitalen Photogrammetrischen Verfahren. Agisoft Metashape (ehemals Photoscan) „nutzt die Photogrammetrie als Auswerteverfahren, um aus Fotos automatisch detailgetreue, komplett texturierte 3D-Modelle zu erzeugen“ https://www.software3d.de/agisoft-metashape-pro/ (letzter Zugriff 17.01.2021). ↩︎