Einleitung #
Der fortgeschrittene Stand der Digitalisierung erlaubt Möglichkeiten, die früher ungeahnt schienen. Durch moderne Photogrammmetrie-Softwares können aus Fotoaufnahmen komplexe 3D-Modelle erstellt werden. Die Software erledigt hierbei selbstständig den Modellrechnungsvorgang, nachdem durch den Benutzer einige Feineinstellungen vorgenommen wurden. Heraus kommt ein 3D-Abbild eines echten Objektes. Im Rahmen unserer Projektarbeit widmeten wir uns der Digitalisierung des Wittelsbacher Brunnens in Passau und der Auszeichnung seiner Metadaten in XML.
Dokumentation des Projekts #
An dem Digitalisierungsprozess arbeiteten Florian Lehner, Maria Prechtl und Dennis Schuller unter Anleitung von Nina Kunze.
Aufnahmetag #
Am Dienstag, den 15. Juni 2021, traf sich das gesamte Team um 9:15 Uhr am Wittelsbacher Brunnen mitsamt Fotoequipment. Zusätzlich zu den am Projekt arbeitenden Studierenden war Frau Nina Kunze als Dozentin und rechtliche Verantwortliche für den Einsatz der Drohne DJI Mavic Air 2 zugegen. Die Aufnahmesituation betreffend ist das unbewölkte, sehr sonnige Wetter und Temperaturen von ca. 28° bis 30° Celsius zu nennen. Die Aufnahmen dauerten bis 15:00 Uhr an, sodass zu den Tageszeiten Vormittag, Mittag und Frühnachmittag fotografiert wurde. Restaurants mit Besuchern sowie Fahrzeuge auf der zum Teil befahrenen Straße vor dem Eingang der Neuen Residenz, kennzeichneten die Umgebungskondition. Auf dem Brunnen selbst saßen häufig Vögel, die während der Aufnahmen vertrieben werden mussten. Zum Einsatz kam eine digitale Fotokamera (NIKON D3300) mit Stativ sowie die DJI Mavic Air 2 – eine Drohne zum Fotografieren aus größeren Höhen (Abbildung 1).
Abbildung 1: Die Drohne macht Aufnahmen aus größeren Höhen
Aufgrund der Form des Objekts wurde der Modus des umrundeten Fotografierens des Brunnens gewählt. Dazu wurde die Drohne bzw. die Kamera in gleichem Abstand zum Objekt aus verschiedenen Höhen kreisförmig bewegt. Dadurch ergaben sich pro Umrundung mehrere Positionen an denen Fotos vom Objekt gemacht wurden. An jeder Position wurden 9 Fotos gemacht: Frontal, links geschwenkt und rechts geschwenkt bei Neigungswinkeln von jeweils ca. 10°, 0° und - 10°. Um Positionen, an denen Fotos gemacht wurden, für die weiteren Umrundungen erneut wiederzufinden, wurden diese mit kleinen Plättchen aus Knetmasse gekennzeichnet (Abbildung 2).
Abbildung 2 Knetmasse markiert Fotoposition
Für die bodennahen Aufnahmen (ca. 1,35 m Höhe), also die unterste Umrundung, wurde die Kamera mit Stativ benutzt. Sie stand jeweils 1 m von der untersten Stufe des Brunnenunterbaus entfernt. Darüber hinaus wurden noch Fotos mit der digitalen Fotokamera vom Boden aus getätigt, um die Brunnenumrandung genauer zu erfassen. Die höheren Aufnahmen wurden von der Drohne aus der Luft, aber an denselben Positionen durchgeführt. Hinzu kommen noch spezielle Kamerapositionen und Neigungseinstellungen, um zum Beispiel Detailfotos der Brunnenfiguren anzufertigen oder um in die Muschelbecken hineinfotografieren zu können (siehe Tabelle 1 und Tabelle 2).
Kamera mit Stativ | Zweck der Position |
---|---|
Höhe Kamera(-stativ) 1,35m: 9 Fotos/Position; frontal, links geschwenkt, rechts geschwenkt (etwa: 10°, 0°, -10°); Entfernung zum Brunnen: 1m von erster Stufe | Erfassung des Übergangs von Brunnenumrandung und Figur in der Mitte |
Höhe Kamera 0 m: 6 Fotos pro Position; frontal, links geschwenkt, rechts geschwenkt (etwa: 10°, 0°) | Erfassung der Brunnenumrandung (Becken) |
Tabelle 1 Kamerapositionen und Neigungswinkel Kamera mit Stativ
Drohne | Zweck der Position |
---|---|
Höhe 3m: 9 Fotos pro Flugposition; frontal, links geschwenkt, rechts geschwenkt (10°, 0°, -10°) | Aufnahme des gesamten Brunnens ohne Marienstatue |
Höhe 4,6m: 9 Fotos pro Flugposition; frontal, links geschwenkt, rechts geschwenkt (-30°, -20°, -10°) | Aufnahme des Übergangs zur Marienstatue (Überlappung) |
Höhe 9 m: 4 Fotos pro Flugposition (-10°, -20°, -30°, -50°) | Detailfotografie Marienstatue |
Höhe über 9 m: 1-2 Fotos pro Flugposition (-60°) | “Überfliegen”; Top-Down Perspektive |
Höhe 4,6 m: 3 Fotos pro Flugposition (-10°, -30°, -45°) | Detailfotografie Ornamente |
Höhe 1 m: 3 Fotos pro Flugposition (10°, 20°, 25°) | Detailfotografie Übergang |
Tabelle 2 Kamerapositionen und Neigungswinkel Drohne
Die Fotos wurden hauptsächlich im Automatikmodus aufgenommen. Der Nachvollziehbarkeit und Nachstellbarkeit entsprechend werden die genauen Kameraeinstellungen in Tabelle 3 aufgeführt.
Spiegelreflexkamera mit Stativ | Drohne | |
---|---|---|
Kameramodell | NIKON D3300 | DJI Mavic Air 2 FC3170 |
Datenformat | JPG | JPG |
Abmessungen | 6000 x 4000 Pixel | 4000 x 3000 Pixel |
Auflösung | 300 dpi | 72 dpi |
Blendenzahl | F/13 | F/2.8 |
Belichtungszeit | 1/630 Sek. | 1/725 Sek. |
ISO-Filmempfindlichkeit | ISO-200 | ISO-100 |
Brennweite | 20 mm | 4 mm |
Blende | 3.7 | 2.971 |
Messmodus | Mehrfeld | Integral |
Blitzlichtmodus | Kein Blitz, automatisch | Ohne Blitzlicht |
35mm Brennweite | 30 | 24 |
Schärfe | Normal | Normal |
Weißabgleich | Automatisch | Automatisch |
Auslöser | Normal | Fernsteuerung über Smartphone (DJI Fly App) |
Tabelle 3 Kameraeinstellungen
Digitalisierungsprozess #
Nachdem die Aufnahmen getätigt waren, erfolgte die Weiterverarbeitung der Bilder zu einem 3D-Modell mithilfe der Photogrammmetrie-Software Metashape (professional version 16.5) von Agisoft. Sowohl die Fotos der Drohne als auch der Spiegelreflexkamera wurden als JPEG in das Programm importiert, um längere Ladezeiten aufgrund der hohen Auflösung zu vermeiden. Die Qualität des JPEG-Formats stellte sich als ausreichend gut heraus. Bei der Erstellung des 3D-Modells wurde der vorgesehene Workflow des Programms übernommen, der sich in folgende Arbeitsschritte gliedert:
- loading images into Metashape (1048 Bilder);
- inspecting loaded images, removing unnecessary images (912 Bilder schließlich verwendet);
- aligning cameras and images;
- building dense point cloud;
- building mesh (3D polygonal model);
- generating texture;
- building tiled model;
- building digital elevation model (DEM);
- building orthomosaic
- exporting results
Beim ersten Versuch der Digitalisierung wurden nach dem Einpflegen der Bilder keine manuellen Änderungen vorgenommen und die Arbeitsschritte nur mehr nach Beendigung des vorhergehenden neu angestoßen. Doch zeigte sich beim ersten gerechneten Modell, dass beim automatischen Ausrichten der Bilder (aligning cameras and images) Bilder falsch zugeordnet wurden und dadurch das Modell in einer Position nicht mehr dem Original entsprach (Abbildung 3).
Abbildung 3 Fehler beim Alignment bedingte fehlerhaftes Modell
Bilder falsch zugeordnet wurden und dadurch das Modell in einer Position nicht mehr dem Original entsprach (Abbildung 3). In einem zweiten Versuch wurden beim Einrichten der Bilder jene JPEG-Dateien entfernt, die zu der fehlerhaften Rechnung führten. Ein weiteres Problem stellten die Reflektionen des Brunnenwassers dar, da durch die verschiedenen Spiegelungen im Wasser die Software Probleme mit der Zuordnung der Bildinhalte hatte. Die Löcher und fehlenden Stellen, die dadurch bei der automatischen Modellrechnung entstanden (Abbildung 4), konnten durch manuelle Feineinstellungen und einen erneuten Berechnungsvorgang vermindert werden.
Abbildung 4 Wasserreflektionen erschwerten die Berechnung
Für die Berechnung des endgültigen 3D-Modells wurden 912 Fotos benötigt. Die jeweiligen Schritte der Modellerstellung, zum Beispiel die Dense Cloud oder das Mesh (Abbildung 5 und 6), konnten wiederholt werden, sodass am Ende ein aussagekräftiges 3D-Modell entstand (Abbildung 7).
Abbildung 5 Berechnung: Dense Cloud
Abbildung 6 Berechnung: Mesh
Abbildung 7 Fertiges Brunnenmodell
Kunsthistorische Erschließung #
Der 1904 bis 1906 erbaute Wittelsbacher Brunnen und sein künstlerisch-gesamtheitliches Arrangement mit der Bischöflichen Residenz, sowie den Barocken Hausfassaden wird zu den “schönsten Plätzen nördlich der Alpen gezählt”.1
Beschreibung des Objekts #
Der Wittelsbacher Brunnen befindet sich am östlichen Rand des Residenzplatzes in der historischen Altstadt Passaus.
Der Brunnen misst einen Beckendurchmesser von 7 Meter und beträgt, mit der sich in der Mitte emporragenden Mariensäule, eine Höhe von 8 Metern. Die Höhe des Beckenrandes selbst beträgt 95 Zentimeter.1 Der gesamte Brunnen und die jeweils dazugehörenden Kunstelemente sind im Stil des Neubarock, der sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts etablierte, entworfen und gebaut worden. Das fast ausschließlich verwendete Baumaterial war Donaukalkstein, was die besondere Lage Passaus als Dreiflüssestadt und der Donau als Lebens- und Wirtschaftsgrundlage der Passauer hervorhebt.2
Das Brunnenbecken besitzt drei schwungförmig, mit Ranken verzierte Kartuschen, welche an den Beckenenden jeweils mit Wappen und einer Inschrift verziert sind. Diese Wappen zeigen das Wappen Bayerns; das Wappen der Stadt Passau und eine Gedenkinschrift zum einhundertsten Jubiläum der Zugehörigkeit der Stadt Passau zur bayrischen Krone (Abbildung 8).3
Abbildung 8 Kartusche mit Gedenkinschrift
Die Mariensäule setzt sich aus einer Balustersäule und einer darauf angebrachten Marienfigur mit Jesuskind zusammen. Hierbei steht die Marienfigur zusätzlich zum religiösen Kontext auch als Patrona Bavaria (Schutzheilige Bayerns) und hebt nochmals die Zugehörigkeit zu Bayern hervor (Abbildung 9).4
Abbildung 9 Marienfigur mit Jesuskind
Über dem Säulensockel befinden sich drei Engelsfiguren, welche jeweils einen der drei Flüssen Passaus verkörpern sollen. Ein Engel ist mit einem Ährenkranz verziert, welcher für die Fruchtbarkeit durch die Donau steht. Ein weiterer Engel trägt einen Tiroler Hut, welcher symbolisch für den Inn und seinen Ursprung in den Alpen steht. Der dritte Engel ist mit einem Perlenhaarkranz verziert, welcher für die Ilz und ihre dort zu findenden Flussperlmuscheln steht. Zusätzlich befinden sich noch drei barockverzierte Muschelbecken mit Wasserspeienden Fischköpfen und Delfinen als Umrahmung am Säulensockel. 5
Kunsthistorische Kontextualisierung #
Der historische Kontext des heutigen Wittelsbacher Brunnens ist tatsächlich bereits Mitte des 15. Jahrhunderts zu finden und der Brunnen als solcher bereits der dritte, welcher auf dem Residenzplatz steht.
1552 hatte Fürstbischof Wolfgang von Salm eine Wasserleitung von der Innstadt in die Altstadt legen lassen und in diesem Zusammenhang einen Brunnen für frisches Trinkwasser errichten lassen.6
Damals zierte die Mitte des Brunnens ein sogenannter “Liendl”, ein kräftiger Mann in Ritterrüstung (Abbildung 10). Dieser wurde schließlich 1860 vom damaligen Bischof Heinrich von Hofstätter entfernt und der Brunnen abgerissen. Hofstätter ließ schließlich einen neuen Brunnen am heutigen Standort des Wittelsbacher Brunnens errichten. Dieser hatte ein rundes Wasserbecken und wurde auch von einer Mariensäule verziert.7
Abbildung 10 Nachbildung des Liendlbrunnens
Ende des 19. Jahrhunderts fanden sich schließlich viele Stimmen wieder, welche ein Monument für die Stadt Passau am Residenzplatz forderten. Von anfänglich geplanten Obelisken, welche an die Opfer der Einigungskriege und des Deutsch-französischen Krieges von 1870/71 gedenken sollten. Für bereits erarbeitete und konzipierte Modelle fand sich jedoch keine breite Zustimmung.8
1901 wurde schließlich von der Stadt Passau beschlossen, anlässlich des hundertjährigen Jubiläums der Säkularisation der Stadt Passau und damit der Zugehörigkeit zum Königreich Bayern, einen Gedenkbrunnen am Residenzplatz zu errichten. Ein Gremium, welches persönlich von Prinzregent Luitpold von Bayern einberufen wurde und dem dieser vorstand, veranstaltete einen Künstlerwettbewerb. Am 16.11.1903 kürte es im bayrischen Nationalmuseum in München den Gewinner. Tatsächlich vergab das Gremium keinen ersten Platz, da keines der gezeigten Modelle sie hundertprozentig überzeugen konnte.9 Somit erhielt schließlich der Münchener Bildhauer Jakob Bradl das Projekt, welches sich in den Kosten auf 45.000 Mark belief.10
Am 8. Juli 1906 wurde der Wittelsbacher schließlich in einem feierlichen Festakt von Prinz Alfons von Bayern, dem Neffen Prinzregent Luitpolds enthüllt.
Mithilfe von Spenden wurde der Wittelsbacher Brunnen 2003 komplett saniert, da bereits deutliche Verwitterungsschäden über die Jahre erkennbar geworden waren und sich der Brunnen in äußerst schlechtem Zustand befand. Nun erinnert auch eine zusätzliche Tafel am Beckenrand an die Spenden zu Restaurierung.11
Die Errichtung des Wittelsbacher Brunnens direkt vor dem Eingang der Neuen fürstbischöflichen Residenz kann dabei darüber hinaus als ironisch, gar provokativ gesehen werden: Der Sitz der Bischöfe, interpretierbar als das geistliche Zentrum Passaus, steht dem Wahrzeichen gegenüber, das die Zugehörigkeit der Stadt zu den Wittelsbachern feiert – einer weltlichen Herrschaftsdynastie.
Das Stadtbild im Inn-Salzach Stil mit seinen pastellfarbenen, miteinander verbundenen Hausfassaden rund um den Residenzplatz herum harmoniert sehr gut mit dem neubarocken Stil des Wittelsbacherbrunnens. Diese Komposition erinnert gleichzeitig an die Stadt Traunstein: Hier steht bis heute ein Liendlbrunnen (vergleichbar mit dem, der in Passau letztlich dem Wittelsbacherbrunnen weichen musste) umgeben von Bürgerhäusern im Inn-Salzach Baustil.
Erfassung der Metadaten #
Die deskriptiven Metadaten des Passauer Wittelsbacherbrunnens, wie Klassifikationen, Daten und Personen der Entstehungsgeschichte, Maße und Relationen zu anderen Werken wurden im xml-Format, genauer im LIDO-Schema erfasst. Hier finden sie sich unter dem Tag lido:descriptiveMetadata wieder. Das Lightweight Information Describing Objects (LIDO) – Schema wird „für den Austausch und die Weitergabe von Daten musealer Sammlungen“12 verwendet und eignet sich gut für die Wiedergabe von Metadaten eines historischen Bauwerks, wie dem Wittelsbacher Brunnen. Die Entstehungsgeschichte mit Ereignissen, wie die Errichtung des ersten Brunnens im Jahr 1555– dem Liendlbrunnen – oder seine Transformation im Jahr 1860 konnten unter dem Tag lido:eventWrap angegeben werden. Die Akteure, die an der Erschaffung des Brunnens, so wie er heute ist, beteiligt waren, wurden dem jeweiligen Event unter dem Tag lido:eventActor zugeordnet. Beispiele hierfür sind Auftraggeber, der Künstler, der den Entwurf für den Wittelsbacher Brunnen anfertigte oder die ausführende Steinmetzfirma.
Ausblick und Anwendungsvorschläge #
Die Digitalisierung von Objekten, in diesem Falle eines architektonischen Gegenstandes, bringt eine Vielzahl neuer Zugänge und Nutzungsmöglichkeiten mit sich. Während vor der zunehmenden Digitalisierung der Gesellschaft und Wissenschaft die Arbeit mit Modellen und Duplikaten von realen Objekten lange kritisch aufgrund einer “automatischen Bedrohung und Destabilisierung der Aura oder Originalität eines Objektes”13 verstanden wurde, sprach insbesondere der spatial turn in den Kultur- und Sozialwissenschaften ab den 1980er Jahren Modellen eine viel größere Bedeutung zu. Denn durch diesen Paradigmenwechsel in der Wissenschaft trat neben der Zeitkomponente vornehmlich auch der Raum als Interpretationsebene von Objekten in den Vordergrund.14 Im Folgenden sollen nun die verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten und positiven Effekte eines 3D-Modells dargestellt werden. Zudem werden anschließend noch denkbare Szenarien für eine tiefgehendere Forschung am Objekt vorgestellt.
Die Erstellung und anschließende Veröffentlichung des 3D-Modells des Wittelsbacher Brunnens in Passau kann zu einer Relevanzsteigerung durch die Demokratisierung des Zugangs zum Objekt führen. Die kostenlose Bereitstellung des Modells ermöglicht es nicht nur WissenschaftlerInnen orts- und zeitungebunden sich mit dem Objekt zu beschäftigen, sondern auch Privatpersonen den Brunnen virtuell zu “besuchen”. So kann dies auch neue Arten der kollaborativen Zusammenarbeit in der Wissenschaft und in der public history fördern, die durch monetäre und/oder zeitliche Limitationen ohne eine Digitalisierung nicht möglich gewesen wären. Besonders die einfache Betrachtung von Details, wie Ornamenten, oder von Boden weit entfernten Teilen des Brunnens ermöglicht eine leichtere Lesbarkeit des Objekts als vor Ort. Durch die, im Digitalisierungsprozess geschaffene Multiperspektivität der Ansicht (verschiedene Zoomstufen, Drehbarkeit der Achsen) können Spezifika unkompliziert herausgearbeitet werden, die in der Betrachtung des Objekts vor Ort nur mit enormem logistischem Aufwand möglich wären. Hinterwaldner hebt hier besonders auch den niederschwelligen und intuitiven Charakter zur Gewinnung neuer Perspektiven auf das Objekt hervor:
Mit Modellen erreicht man in Analogie Phänomene, die sonst Eingriffen entrückt blieben, weil sie zu groß bzw. klein, langsam bzw. schnell, teuer oder gefährlich wären. Dies bedeutet, sie sind auf eine Handhabbarkeit und das anthropomorphe Maß hin orientiert. Sie befördern und befeuern Interaktionen, laden zum Probieren ein.15
Aber nicht nur in der akademischen Auseinandersetzung mit dem Objekt kann das Modell hilfreiche Ansätze liefern, sondern auch in der Präsentation und Ausstellung in Museen. So zeigt der Tagungsband “Chancen und Nebenwirkungen – Museum 4.0” des ICOM Deutschland von 2019 eindringlich die Vorteile (niederschwelliger Zugang, interaktive Auseinandersetzung, Modernisierung der Präsentation uvm.) einer Einbindung von digitalen Modellen in die Vermittlung von musealen Inhalten auf.1 Neben diesen neuen Möglichkeiten der visuellen Betrachtung des Brunnens kommt es durch die Erstellung eines Modells auch zu einer Dokumentation eines Ist-Zustands des Brunnens. Dieser kann nicht nur für restauratorische Zwecke in Zukunft von Bedeutung sein, sondern auch im historischen Vergleich. Durch die Gegenüberstellung mit historischen Aufzeichnungen und Abbildungen können etwaige Änderungen rekonstruiert und in Beziehung gesetzt werden. Ebenso können vergleichbare Objekte in Beziehung zum Modell gebracht werden, um weitere kunsthistorische Rückschlüsse möglich zu machen.
Die Erschließung des Realobjekts durch ein digitales Modell schafft aber nicht nur Vorteile in der visuellen Betrachtung am Computer, sondern eröffnet des Weiteren auch neue Perspektiven für rechnerische Auswertungen aller Art.16 Im digitalen Modell ist nicht nur visuelle Information einsehbar, sondern auch geometrische und räumliche Daten können ausgelesen werden, die unter Anderem in geographischen und architektonischen Studien ausschlaggebend sein können. So kann beispielsweise eine Kontextualisierung des Modells in das gegenwärtige, aber auch historische, räumliche Umfeld neue Perspektiven schaffen.
Schließlich kann das Modell auch noch für weitere Forschung wiederverwendet werden. Beispielsweise können Wittelsbacher Brunnen aus verschiedenen Städten kunsthistorisch untersucht und miteinander verglichen werden. Aber auch die Einordnung in den historischen Kontext durch die Rekonstruktion von Gebäuden oder die Einbettung in das derzeitige Umfeld durch die Digitalisierung der umliegenden Bauwerke bietet interessante zukünftige Forschungsfelder.
3D Modelle Wittelsbacherbrunnen Passau #
Wittelsbacherbrunnen Passau, 1 Mio. Kanten (35 MB)
Wittelsbacherbrunnen Passau, 2 Mio. Kanten (66 MB)
Wittelsbacherbrunnen Passau, 3 Mio. Kanten (94 MB)
Literaturverzeichnis #
Eder, Lisa-Marie (14.07.2019): Jakob Bradl : Wittelsbacherbrunnen. Kunst in Niederbayern, online abgerufen am 05.05.2022 von https://www.kunst-niederbayern.de/jakob-bradl-wittelsbacherbrunnen.html.
Hinterwaldner, Inge (2017): Prolog: Modellhaftigkeit und Bildlichkeit in Entwurfsartefakten, In: Sabine Ammon / Inge Hinterwaldner ( Hg. ). Bildlichkeit im Zeitalter der Modellierung. Operative Artefakte in Entwurfsprozessen der Architektur und des Ingenieurwesens, S. 13–30. München.
ICOM Deutschland (Hrsg.). (2021): Chancen und Nebenwirkungen – Museum 4.0: Jahrestagung von ICOM Deutschland, 14. bis 16. November 2019 in München. Tagungsband. Heidelberg: arthistoricum.net.
Knaus, Gudrun, Stein, Regine und Kailus, Angela (2019): LIDO-Handbuch für die Erfassung und Publikation von Metadaten zu kulturellen Objekten, Band 1: Graphik, S. 1. Heidelberg: arthistoricum.net.
Morsbach, Peter, Heckmann, Irmhild, Later, Christian und Niemeier, Jörg-Peter (2014): Kreisfreie Stadt Passau. Ensembles, Baudenkmäler, Bodendenkmäler, In: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege (Hrsg.): Denkmäler in Bayern, Band 2, S. 217. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg.
Mader, Franz (2004): Der Residenzplatz in Passau und der Wittelsbacher Brunnen, In: Brunner Max, Schaffner Richard (Hrsg.): Der Passauer Wolf, Veröffentlichungen zur Kulturgeschichte Passaus, Band 17.
Müller, Katja (2018): Digitale Objekte subjektive Materie. Zur Materialität digitalisierter Objekte in Museum und Archiv, In: Hans Peter Hahn, Friedemann Neumann (Hrsg.): Dinge als Herausforderung. Kontexte, Umgangsweisen und Umwertungen von Objekten, S. 49-66. Transcript Verlag. Bielefeld.
Schelbert, Georg (2019): Ein Modell ist ein Modell ist ein Modell – Brückenschläge in der Digitalität, In: Piotr Kuroczyński, Mieke Pfarr-Harfst, Sander Münster (Hrsg.): Der Modelle Tugend 2.0. Digitale 3D-Rekonstruktion als virtueller Raum der architekturhistorischen Forschung, S. 136-153. Heidelberg.
Abbildungsverzeichnis mit Quellen #
- Abbildung 1 Die Drohne macht Aufnahmen aus größeren Höhen (Projektteam, 15.06.2021)
- Abbildung 2 Knetmasse markiert Fotoposition (Projektteam, 15.06.2021)
- Abbildung 3 Fehler beim Alignment bedingt fehlerhaftes Modell (Projektteam, 27.07.2021)
- Abbildung 4 Wasserreflektionen erschwerten die Berechnung (Projektteam, 27.07.2021)
- Abbildung 5 Berechnung: Mesh (Projektteam, 27.07.2021)
- Abbildung 6 Berechnung: Dense Cloud (Projektteam, 27.07.2021)
- Abbildung 7 Fertiges Brunnenmodell (Projektteam, 27.07.2021)
- Abbildung 8 Kartusche mit Gedenkinschrift (Projektteam, 27.07.2021)
- Abbildung 9 Marienfigur mit Jesuskind (Projektteam, 27.07.2021)
- Abbildung 10 Nachbildung des Liendlbrunnens (Andrea Eberle, https://www.niederbayern-wiki.de/wiki/Datei:Liendlbrunnen_Passau_02.jpg, abgerufen am: 05.05.2022)
- Tabelle 1 Kamerapositionen und Neigungswinkel Kamera mit Stativ
- Tabelle 2 Kamerapositionen und Neigungswinkel Drohne
- Tabelle 3 Kameraeinstellungen
-
Mader,Franz (2004): Der Residenzplatz in Passau und der Wittelsbacher Brunnen, In: Brunner Max, Schaffner Richard (Hrsg.): Der Passauer Wolf; Veröffentlichungen zur Kulturgeschichte Passaus, Band 17, S.61. ↩︎
-
Eder, Lisa-Marie (14.07.2019): Jakob Bradl : Wittelsbacherbrunnen, Kunst in Niederbayern, online abgerufen am 05.05.2022 von https://www.kunst-niederbayern.de/jakob-bradl-wittelsbacherbrunnen.html. ↩︎
-
Morsbach, Peter, Heckmann, Irmhild, Later, Christian und Niemeier, Jörg-Peter (2014): Kreisfreie Stadt Passau. Ensembles, Baudenkmäler, Bodendenkmäler, In: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege (Hrsg.): Denkmäler in Bayern, Band 2, S. 217. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg. ↩︎
-
Morsbach, Peter, Heckmann, Irmhild, Later, Christian und Niemeier, Jörg-Peter (2014): Kreisfreie Stadt Passau. Ensembles, Baudenkmäler, Bodendenkmäler, In: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege (Hrsg.): Denkmäler in Bayern, Band 2, S. 217. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg. ↩︎
-
ebd. ↩︎
-
Mader, Franz (2004): Der Residenzplatz in Passau und der Wittelsbacher Brunnen, In: Brunner Max, Schaffner Richard (Hrsg.): Der Passauer Wolf; Veröffentlichungen zur Kulturgeschichte Passaus, Band 17, 5. ↩︎
-
ebd. ↩︎
-
ebd. S. 63-65 ↩︎
-
Mader, Franz (2004): Der Residenzplatz in Passau und der Wittelsbacher Brunnen, In: Brunner Max, Schaffner Richard (Hrsg.): Der Passauer Wolf; Veröffentlichungen zur Kulturgeschichte Passaus, Band 17. ↩︎
-
ebd. ↩︎
-
ebd. S. 84-85. ↩︎
-
Knaus, Gudrun, Stein, Regine und Kailus, Angela (2019): LIDO-Handbuch für die Erfassung und Publikation von Metadaten zu kulturellen Objekten, Band 1: Graphik, S. 1. Heidelberg: arthistoricum.net. ↩︎
-
Müller, Katja (2018): Digitale Objekte subjektive Materie. Zur Materialität digitalisierter Objekte in Museum und Archiv, In: Hans Peter Hahn, Friedemann Neumann (Hrsg.): Dinge als Herausforderung. Kontexte, Umgangsweisen und Umwertungen von Objekten, S. 49-66. Hier: S. 62. Transcript Verlag, Bielefeld. ↩︎
-
Schelbert, Georg (2019): Ein Modell ist ein Modell ist ein Modell – Brückenschläge in der Digitalität, In: Piotr Kuroczyński, Mieke Pfarr-Harfst, Sander Münster (Hrsg.): Der Modelle Tugend 2.0. Digitale 3D-Rekonstruktion als virtueller Raum der architekturhistorischen Forschung, S. 136-153. Hier: S. 150. Heidelberg. ↩︎
-
Inge Hinterwaldner (2017): Prolog: Modellhaftigkeit und Bildlichkeit in ntwurfsartefakten, in: Sabine Ammon / Inge Hinterwaldner (Hrsg.), Bildlichkeit im Zeitalter der Modellierung. Operative Artefakte in Entwurfsprozessen der Architektur und des Ingenieurwesens, S. 13–30. Hier S. 17. München. ↩︎
-
Schelbert (2019): S. 149. ↩︎